Wer bleibt? - Die Evangelien unter der Lupe

Es ist schon interessant einen Blick in die Bibel zu werfen und, wenn wir auf das Ende des Lebens Jesu, die Kreuzigung und das Begräbnis schauen, zu sehen welche Personen da noch und wieder vorkommen.

 

Alle Evangelien berichten von einer Gruppe Frauen, je nach Text in unterschiedlicher Zusammensetzung. Die Frauen scheinen die Konstante zu sein, sie folgen Jesus von Beginn an, unterstützen den Kreis, mit dem was sie haben.

Seine Jünger, die wir alle mit Namen kennen, werden hier gar nicht erwähnt, einzig das Johannesevangelium spricht, vom "Jünger, den Jesus liebte" (Joh 19,26). Aber alle anderen sind plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, dabei zeichnen sich nach dem Markusevangelium die Apostel dadurch aus, dass sie diejenigen sind, die bei Jesus sind (vgl. Mk 3,14) und bei Johannes ist das Bleiben in Jesus ein zentrales Element der Abschiedsreden (vgl. Joh 15).

 

Dann wird in allen Evangelien Josef von Arimathäa, ein Mitglied des hohen Rates genannt, der den Leichnam Jesu in seinem Grab bestatten will. Josef war Pharisäer, zugehörig zu der Gruppe, mit der Jesus Zeit seines Lebens in Auseinandersetzungen war. Er stimmte laut Lukas dem Tod Jesu zwar nicht zu, gehörte aber dennoch zur Gruppe derjenigen, die letztlich den Tod Jesu hervorgebracht haben, ja er wird sogar als "ein vornehmes Mitglied des Hohen Rates" (Mk 15,43) beschrieben.

 

Und dann wird im Johannesevangelium noch Nikodemus erwähnt. Er tauchte ganz zu Beginn des Evangelium auf, als er Jesus bei Nacht besuchte, eine ganze Weile hören wir nichts mehr von ihm bis zu diesem Zeitpunkt: Nikodemus, auch ein Teil der führenden Juden Jerusalems (vgl. Joh 3,1). Ob er sich an die Worte erinnert haben mag: "Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden", die Jesus des nachts zu ihm gesprochen hat?

 

Wer ist da am Ende seines Leben?

Zusammenfassend könnte man sagen: Zwei Pharisäer - zeitlebens Jesu Erzfeinde - und die Frauen - eine für damalige Zeiten gesellschaftlich irrelevante Gruppe.

 

Es sind solche Details, die mich an der Geschichte Jesu immer wieder neu faszinieren. Und es fasziniert mich, dass die Evangelisten es auch genauso aufgeschrieben haben, da wurde nichts beschönigt, nichts verschwiegen.

Und so sind die Menschen, die es ausgehalten haben am Kreuz zu stehen wie eine weitere Botschaft Jesu für mich: Diejenigen, die für den Tod mitverantwortlich waren, die, die scheinbar am wenigsten von seiner Botschaft verstanden haben, begraben ihn.

Und die, die am meisten von seiner Botschaft verstanden haben, salben ihn.

(Teresa von Avila bemerkt dazu, dass die Frauen mehr geliebt und mehr geglaubt haben als die Männer)

 

Beide Gruppen und damit alle Menschen, wie auch immer sie zur Botschaft Jesu stehen, sind am Ort des Geschehens. Nicht die starken Apostel, nein, Pharisäer, Frauen, Verbrechen und die Römer. Und den Evangelisten schien es wichtig genau das zu betonen und ich denke wir können viel davon lernen. Lernen wie Gott ist, der so oft im unscheinbaren, banalen zu finden ist und von seiner Botschaft, die vielleicht von denjenigen am besten begriffen wird, bei denen wir es nicht erwarten würden oder wie Madeleine Delbrêl es ausdrückte:

"Wer ein einziges Wort des Herrn in sich einläßt und ihm erlaubt, sich in seinem Leben auszuwirken, weiß mehr vom Evangelium als einer, dessen ganze Anstrengung sich in abstrakter Betrachtung oder im historischem Forschen erschöpft."

 

Ja und ich verwende dieses Zitat bewusst als Theologin. Das Evangelium sprengt einfach jegliches menschliches Wissen und eigentlich ist das genau der Grund, warum ich in den Orden eingetreten bin: Es gibt noch so viel zu entdecken von diesem Gott!

 

Sr. M. Clarita

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