Weihnachten mit Störung

Schwestern anhand der Schuhe erraten an Unschuldig Kinder :-)
Schwestern anhand der Schuhe erraten an Unschuldig Kinder :-)

Der Weihnachtsfestkreis ist eigenartig: Kaum hat man die stille, heilige Nacht, die Geburt des Gottessohnes in der Krippe zu Bethlehem gefeiert, kommen eine Reihe "störender" Feste:

Zuerst am zweiten Weihnachtstag das Fest des Märtyrers und Diakons Stephanus. In der Lesung hören wir von seinem Tod durch Steinigung - unschön.

Am 27.12. folgt das Fest Johannes des Evangelisten, zur Abwechslung mal kein Märtyrer, dafür hören wir das Evangelium vom leeren Grab. Ostern mitten im Weihnachtsfest - unpassend.

Und dann das für mich schwierigste Fest: Das Fest der unschuldigen Kinder. König Herodes ermordet vor Zorn und Eifersucht alle Knaben in Bethlehem im Alter bis zu zwei Jahren (Vgl. Mt 2,16-18) - grausam.

Und doch bin ich dankbar für diese "Störungen" in der Weihnachtsoktav, denn ich weiß von mir selber, dass ich Weihnachten allzu oft in die romantisch-gemütliche-Kuschelecke schiebe. Aber nein, Weihnachten war nicht romantisch. Kein Kaminfeuer. Kein heißer Kakao. Keine Schneeflocken.

Jesus wird zunächst in die Obdachlosigkeit geboren, kein Platz in der Herberge, kein Bett, nur eine Krippe. Leihgabe der Tiere. Von einem Esel wird er auch in seinen letzten Lebenstagen begleitet werden... Kaum geboren, schon will man ihn loswerden. Die junge Familie muss fliehen. Es war weder gemütlich noch unbeschwert...

 

Und deshalb ist es gut, dass wir in diesen Weihnachtstagen gestört werden.

  • Stephanus: Ein Hinweis, dass Nachfolge ebenso wenig gemütlich sein kann wie Weihnachten selbst
  • Johannes: Die Krippe ist der Anfang, "im Anfang war das Wort und das Wort ist Fleisch geworden", aber alles deutet auf das Ostergeschehen, auf das leere Grab hin. Wir können eine Zeit lang an der Krippe stehen und anbeten, wie es das schöne Weihnachtslied "Ich steh an deiner Krippe hier" ausdrückt: "Und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen", aber unser Weg führt hin zum Kreuz und zum leeren Grab.
  • Unschuldige Kinder: Weil Jesus geboren wurde, starben Kinder, Säuglinge; wurden Jungen ihren Müttern entrissen und ermordet. Ich frag mich: Jesus, musste das sein? Was für ein Elend! Und doch bedeutet mir dieses Fest viel, denn es erinnert mich daran, wie viele Kinder heute leiden, misshandelt, unschuldig getötet oder missbraucht werden. Es ist ein Fest, das uns wachrüttelt die Kinder nicht zu vergessen. Ein Fest, das nach Gerechtigkeit schreit. Ein Fest, das uns vor allem als Kirche tief den Finger in die Wunde legt.

An Unschuldig Kinder kommt ja noch hinzu, dass dieses Fest in der Klostertradition einen besonderen Stellenwert erhält, denn traditionell übernehmen die Jüngsten, d.h. die Novizinnen an diesem Tag den Job der Oberen und dürfen allerlei Streiche spielen. Ziemlich makaber angesichts des Kindermordes und gleichzeitig erlebt man den Zauber der Kindlichkeit, wenn alte Filme geschaut werden, es allerlei Süßigkeiten gibt und der ganze Konvent jeglichen Schabernack mitmacht ;-) 

 

Weihnachten - so ambivalent wie die Liturgie dieser Tage. Es geht um Macht und Ohnmacht, Große und Kleine, Realität und Wunder, Reichtum und Armut, Nacht und Licht, Mensch und Gott, Tod und Leben, Krippe und Kreuz.

 

"Es gibt für einen Starken, für einen Großen dieser Welt nur zwei Orte, an denen ihn sein Mut verläßt, vor denen er sich in tiefster Seele fürchtet, denen er scheu ausweicht. Das ist die Krippe und das Kreuz Jesu Christi. In die Nähe der Krippe wagt sich kein Gewaltiger, hat sich der König Herodes auch nicht gewagt. Denn eben hier wanken die Throne, fallen die Gewaltigen, stürzen die Hohen, weil Gott mit den Niedrigen ist, hier werden die Reichen zunichte, weil Gott mit den Armen und Hungernden ist, weil er die Hungernden satt macht, aber die Satten und Reichen gehen leer aus. Vor der Maria, der Magd, vor der Krippe Christi, vor Gott in der Niedrigkeit, kommt der Starke zu Fall, hat er kein Recht, keine Hoffnung, ist er gerichtet."

(Dietrich Bonhoeffer)

 

 

Sr. M. Clarita

 

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Kommentare: 5
  • #1

    3:1 (Freitag, 29 Dezember 2023 18:22)

    Frohe Weihnachten, weil Jesu Geburt, der später sich mit der verlorenen Welt solidarisiert und die Brücke oder Weg zum lieben Vater wird. Freue sich wer kann .

  • #2

    3:1 (Sonntag, 31 Dezember 2023 11:55)

    Oder nach Goethe: willst du dich am Ganzen erquicken, so musst du das Ganze im Kleinsten erblicken.

  • #3

    Norbert (Sonntag, 31 Dezember 2023 13:17)

    "Weil Jesus geboren wurde, starben Kinder, Säuglinge; wurden Jungen ihren Müttern entrissen und ermordet".

    Matthäus’ Erzählung ist in keinem anderen Evangelium zu finden. Auch der jüdische Historiker Josephus erwähnt sie in seinen ca. 94 n. Chr. entstandenen "Jüdischen Altertümern" (Ἰουδαϊκὴ ἀρχαιολογία, Antiquitates Iudaicae) nicht, obwohl Josephus sehr wohl bemüht war, die Gräueltaten des Herodes detailliert zusammenzutragen. Die meisten Herodes-Biographen lehnen die Historizität der Erzählung ab [vgl. Arnold Hugh Martin Jones: The Herods of Judaea. Hrsg.: Oxford: Clarendon. 1967, S. 155; Michael Grant: Herod the Great. Hrsg.: American Heritage Press. 1971].

    Zudem würde die Geschichte vom Kindermord in Bethlehem voraussetzen, dass Jesus wirklich in Bethlehem geboren wurde, und dies ist keineswegs sicher. Die theologische Forschung sieht den tatsächlichen Geburtsort Jesu mehrheitlich in Nazareth, weil sich die Bethlehem-Geburtsgeschichten bei Matthäus und Lukas nicht in Einklang bringen lassen und auch der von Lukas (2,2) behauptete reichsweite Zensus fragwürdig ist [vgl. Stephen Hultgren: Jesus: Herkunft, Geburt, Kindheit, Familie, in: Jens Schröter, Christine Jacobi (Hrsg.): Jesus-Handbuch, Tübingen: Mohr 2017, S. 216f]. Die erste nachweisbare Provinzzählung unter Publius Sulpicius Quirinius in der Provinz Judäa fand erst im Jahr 6 n. Chr. statt, also ein Jahrzehnt nach dem Tod des Herodes. Zu dessen Lebzeiten war Judäa noch nicht Teil der römischen Provinzialordnung. Bethlehem sei vermutlich erst aufgrund nachösterlicher Reflexion als angeblicher Geburtsort Jesu ins Spiel gekommen, da im Ersten Testament geweissagt war, dass der Messias bzw. künftige Herrscher aus Bethlehem, der Stadt Davids, kommen sollte (Mi 5,1).

    Vielmehr verweist diese Erzählung auf ein frühchristliches Motiv: sie wie Jesus der neue Mose ist, der vor dem Kindermord zwecks Schwächung des Sklavenvolkes gerettet wurde, ist Herodes der Pharao, der - laut ersttestamentlicher Erzählung - alle neugeborenen Knaben der Israeliten töten ließ (vgl. 2. Mose 2,1–10).

  • #4

    Norbert (Sonntag, 31 Dezember 2023 13:20)

    "An Unschuldig Kinder kommt ja noch hinzu, dass dieses Fest in der Klostertradition einen besonderen Stellenwert erhält, denn traditionell übernehmen die Jüngsten, d.h. die Novizinnen an diesem Tag den Job der Oberen und dürfen allerlei Streiche spielen".

    In den Jahren 680/81 wurde das "Festum puerorum" auf dem 6. Ökumenischen Konzil verboten, weil sich dieses Fest der Kinder mit einem „Narrenfest“ verbunden hatte, das möglicherweise in der Tradition orientalischer Narrenkönige, römischer Saturnalien und eventuell auch keltischer Tiervermummung stand. Dieses Brauchtum erfreute sich unter Laien großer Beliebtheit. Er wurde trotz kirchlicher Verbote weiterhin mit Narrenspielen wie der „Eselsmesse“ begangen. Allerdings hält sich bis heute in Teilen Österreichs der Brauch, Kinder an diesem Tag die Erlaubnis zu erteilen, den Erwachsenen durch Rutenschläge Glück und Gesundheit fürs kommende Jahr zu wünschen.
    In einigen Regionen Bayerns hielt sich dieser als „Fetzeln“ benannte Brauch bis ins 20. Jahrhundert; der 28. Dezember erhielt mitunter die volkstümliche Bezeichnung „Fetzeltag“.

    Am Fest der Unschuldigen Kinder wurde bis ins Mittelalter hinein in Klosterschulen der Jüngste für einen Tag auf den Stuhl des Abtes gesetzt, ein Brauch, der sich im Mittelalter (etwa seit dem 13. Jahrhundert) dann allerdings auf den Nikolaustag verschob.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kindermord_in_Bethlehem#cite_ref-9

  • #5

    Sr. M. Clarita (Mittwoch, 03 Januar 2024 11:00)

    Lieber Norbert,
    Danke für die Ergänzung. Es geht mir hierbei nicht um die historischen Fakten, sondern dass das Fest in der Kirche ja vorkommt. Wir feiern ja auch viele Heilige, die es so wahrscheinlich nie gegeben hat (z.B. hl. Christophorus, hl. Veronika), aber die Frage ist, wie gehen wir damit um? Was sagt die Liturgie oder das Fest mir persönlich?

    Liebe Grüße